Zwei Bier und ein Mord

Im thüringischen Weißensee wird eine Leiche gefunden – drei Tage vor dem traditionellen Bierfest zur Erinnerung an das erste deutsche Reinheitsgebot von 1434. Dass der Tote ein Bayer ist, mit dessen Landsleuten die Weißenseer seit Jahren um die ältesten Bierrechte streiten, macht die Sache noch brisanter.

Als dann auch noch das Reinheitsgebot verschwindet, ruft der Bier- und Heimatverein den »Bierkrieg« aus – und Hauptkommissar Bernsen und sein junger Kollege Kohlschuetter geraten zwischen die bayerisch-thüringischen Bierfronten aus Tradition, Stolz und lange gehüteten Geheimnissen. Eine bierselige Mordsgeschichte mit Zisch: humorvoll, geradeheraus, traditionsbewusst.


Kriminalroman

Gebundenes Buch € 9,90
ISBN 978-3-95451-500-4

E-Book € 8,49
ISBN 978-3-86358-772-7


»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.« Er drückte Kohlschuetter das Tablett in die Hand.

»Ich kann doch hier keinen toten Bayern gebrauchen.«

»Ach, was hätten wir denn gern, einen Saarländer, Niedersachsen oder Sachsen-Anhaltiner?«, spottete Bernsen.

»Gibt es nun bei den Mordopfern schon Länderpräferenzen? Bitte einmal einen toten Hessen, zur Not geht auch ein Schleswig-Holsteiner, aber bloß keinen Bayern?«


Leseprobe

»Sie kennen sich hier erstaunlich gut aus, Kollege.« Bernsen streckte die Nase in die Luft, als er die Wagentür öffnete. Dabei hoben und senkten sich seine Nasenflügel in rhythmischer Regelmäßigkeit wie bei einem Hund, der Witterung aufgenommen hatte. »Ich glaube, den einzigen Sport, den ihr Thüringer wirklich gut beherrscht, nennt man Grillen«, lästerte er. »Ich habe mal gehört, beim Wintersport, auf dem Rad und beim Handball seien wir sogar noch wesentlich besser«, antwortete Kohlschuetter, der echt keine Lust mehr auf diese Wessisprüche hatte. »Aber ich kann mich auch irren«, ergänzte er gereizt. Doch nichts davon war in Bernsen Ohr gedrungen.

Sie hatten den großen Bratrost erreicht, auf dem der Wirt der »Scheune«, einer kleinen Kneipe, die zum Hotel gehörte, in dichten Reihen lecker duftende Bratwürste angeordnet hatte. »Sind das auch echte Thüringer?«, fragte Bernsen, der breitbeinig vor seinem Mittagessen stand und sich zweifelnd das Kinn rieb. Auf dem Gesicht des Scheunenwirtes, eines kleinen, rundlichen Mannes mittleren Alters, der seinem wohlgerundeten Bauch nach zu urteilen schon einige Erfahrung mit der Thüringer Küche gesammelt hatte, stellte sich blitzartig eine Zornesfalte ein. Er starrte angestrengt auf die fast schon goldbraunen Würstchen, als ob die erlittene Schmach dadurch an ihm vorüberziehen würde.

Bernsen, der so viel menschliches Feingefühl wie eine Dampfwalze besaß, legte noch einmal nach: »Beim Auswandererhaus in der Columbusstraße gibt es die besten.« »Wie meinen?« Der Wirt musterte ihn abfällig. »Bei uns im Landkreis gibt es kein Asylantenheim.« »Guter Mann, lassen Sie mich Ihnen das einmal erklären«, hob Bernsen mit dem Gesichtsausdruck eines Schulmeisters an. »Ich rede von dem Auswandererhaus in Bremerhaven. Dort steht eine ausgezeichnete Würstchenbude.« Kohlschuetter konnte förmlich sehen, wie die Stichworte »Würstchenbude, Elektrogrill, Bremerhaven, Norddeutschland« durch das Gehirn des Wirtes ratterten. Einen kurzen Moment lang überlegte er, wie er seinem Kollegen aus diesem riesigen Fettnapf heraushelfen könnte, doch dann verwarf er den Gedanken voller Schadenfreude über das, was gleich passieren würde. »Haben Sie gerade gesagt, in Bremerhaven gibt es die besten Thüringer?« Der Wirt fuchtelte mit der Würstchenzange aufgebracht vor Bernsens Nase herum. »Ja, allerdings, da kommen die Würste, die ich hier bisher gegessen habe, nicht mit«, antwortete Bernsen arglos. »Aber das kann sich ja nun ändern, die Chance haben Sie.« »Chance? Chance!« Der Wirt brüllte nun fast. »Elvira, komm mal bitte her. Hier sind zwei arrogante Schnösel aus dem hohen Norden, die unsere Roster beleidigen.« Bei »zwei arrogante Schnösel aus dem hohen Norden« hielt er sich die Nase zu, um seinen Worten den nasalen Klang zu geben, den er, seit er den Film »Werner Beinhart« gesehen hatte, für den gängigen norddeutschen Dialekt hielt.

»Ein Norddeutscher«, widersprach Kohlschuetter in feinstem Nordhäuser Dialekt. »Und ich hätte gern eine Bratwurst ohne Brötchen, dafür aber mit viel Senf. Schön dunkel, wenn es geht.« Der Wirt stutzte. Dann griff er nach einer extra dunklen Wurst, strich eine dicke Reihe Senf darüber, reichte sie Kohlschuetter auf einem Pappteller und murmelte: »’tschuldigung, wollte Sie nicht beleidigen.« »Schon gut«, erwiderte der Kommissar grinsend und setzte sich auf eine Bank, um das Schauspiel weiter verfolgen zu können. »Also, was ist nun mit meiner Wurst? Schließlich will ich hier keine Wurzeln schlagen. Ich würde genau genommen sogar zwei nehmen.« Bernsen hatte beide Hände in die Hüften gestemmt und wippte ungeduldig auf und ab. »Die sind alle«, gab der Wirt lapidar zur Antwort.


Schauplätze

Weißensee

Weißensee, das sind 47 km2 gelebte Geschichte. Die kleine Stadt am Rande des Thüringer Beckens hat es in sich: So war Weißensee die einstige Residenz der Landgrafen von Thüringen, besitzt das  älteste Rathaus Deutschlands, ist der Ort des ersten Landtages in der deutschen Geschichte und kann das ältestes Reinheitsgebot für das Brauen von Bier sein Eigen nennen. Und da das alles noch nicht genug ist, kann man heute auch noch den chinesischen „Garten des ewigen Glücks“, die größte Anlage ihrer Art in Deutschland, bewundern.

Bei all dem Sehenswerten und natürlich dem köstlichen Getränk, das die Weißenseer aus „Hopfen, Malz und Wasser“ brauen können, konnte der erste gemeinsame Fall Bernsen und Kohlschuetter nur hierher führen.
www.weissensee.de

Chinesischer Garten

Der „Garten des ewigen Glücks“ – ein Stückchen asiatische Gartenkunst mitten in Thüringen – lockt jährlich tausende Besucher in die alte Landgrafenstadt. Und es gibt mit Sicherheit keinen, der nicht begeistert durch die einzigartige Gartenlandschaft streift und die Harmonie der sieben Dinge „Erde, Himmel, Steine, Wasser, Gebäude, Wege und Pflanzen“ genießt.

Bernsen und Kohlschuetter hingegen haben mit der Harmonie an diesem Ort so ihre Probleme. Zwei Leichen in nur drei Tagen sind auch für hartgesottene Ermittler etwas zu viel.
www.chinesischer-garten-in-thüringen.de

Ratsbrauerei

1434 muss das Jahr in der Weißenseer Stadtgeschichte gewesen sein, zumindest würden das alle passionierten Biertrinker sicherlich so sehen. In diesem Jahr hat man die städtischen Wirtshausregeln formuliert, die den Weißenseern heute das älteste deutsche Reinheitsgebot bescheren.  Glücklicherweise, denn ansonsten würde es bestimmt auch das süffige Weißenseer Ratsbräu nicht geben.

Und die Mordsgeschichte. Denn was können schon die Weißenseer dafür, wenn man in Bayern erst im Jahr 1516 auf ein Reinheitsgebot kommt? Ehre wem Ehre gebührt! Und schäme sich, wer dafür in eine Brauerei einbricht…
www.ratsbrauerei-weissensee.de

Marktplatz

Der mittelalterliche Marktplatz ist das Herz der Weißenseer Altstadt. Kaum zu übersehen: das romanische Rathaus. Das repräsentative Amtshaus wurde erstmals 1351 erwähnt und gilt damit als das älteste Rathaus Deutschlands.

In „Zwei Bier und ein Mord“ wird der Marktplatz zu einem der wichtigsten Schauplätze. Hier feiert man das Bierfest, sticht der Bürgermeister das Fassbier an und prügeln sich Thüringer und Bayern um ihr Bier.

Runneburg

Die Runneburg, das Wahrzeichen der Stadt, gilt heute als einer der bedeutendsten romanischen Profanbauten Deutschlands. 1168 wurde sie von Jutta von Thüringen zur Residenz der Thüringer Landgrafen ausgebaut. Mit ihren 1,5 Hektar Fläche war sie die größte Burg der Landgrafen in Thüringen.

Bernsen, den hin und wieder das Interesse für seine Umwelt (aber wirklich nur hin und wieder) packt, kommt auf dem Weg zu einer Zeugenbefragung in der Burgstrasse hier vorbei und besichtigt den Burghof. Beeindruckt beschließt er, seine Gattin, sollte sie jemals wieder Thüringer Boden betreten, nach Weißensee auszuführen.

Stadtkirche St. Peter und Paul

Stadtkirche St. Peter und Paul in Weissensee
Am höchsten Punkt der Stadt und direkt gegenüber des chinesischen Gartens steht die um 1180 erbaute Stadtkirche St. Peter und Paul. Ihre barocke Orgel wurde von keinem geringeren als Johann Sebastian Bach geprüft. In ihr haben die Gebeine des „Guten Conrad“ ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Im Krimi wird die Stadtkirche gerade restauriert. Dass dies tatsächlich passiert ist, davon können sich die Besucher heute überzeugen.


Die Autorin über ihr Buch

Frau Bruns, Ihr Kriminalroman spielt in Weißensee. Verraten Sie uns: warum ausgerechnet dort?
Als Biertrinkerin würde ich spontan antworten: Natürlich wegen des Weißenseer Ratsbräus. Doch eigentlich ist es die Fülle an Geschichte und Geschichten, die einem hier auf Schritt und Tritt begegnen. Und welche alte Landgrafenstadt kann schon von sich behaupten, über einen chinesischen Garten und das älteste deutsche Reinheitsgebot zu verfügen?

Was verbinden Sie persönlich mit Weißensee?
Ein paar meiner engsten Freunde und ihre Familien kommen aus Weißensee. Die müssen mich über die Jahre mit ihrer Begeisterung für die Stadt angesteckt haben. Und natürlich: Ich habe hier, im ältesten deutschen Rathaus, geheiratet.

Nachdem Sie sich so gut auskennen in dieser Region: geht es da wirklich so blutrünstig zu?
Ja natürlich! Aber wir vergreifen uns niemals an Einheimischen….

Sie leben ja selbst nicht weit entfernt von Weißensee. Was macht die Ecke so lebenswert?
Wie bereits erwähnt: die reiche Geschichte natürlich. Dazu gibt es für mich als begeisterte Naturliebhaberin keine schönere Landschaft als die vor der eigenen Haustür. Wer einmal durch den Beichlinger Wald gewandert oder an der Unstrut entlang geradelt ist, der kann das ganz sicher nachvollziehen. Und nach all der Anstrengung gibt es bei uns ein anständiges Bier und leckeres Essen. Schließlich sind wir ja Thüringer!

Wie war denn die Reaktion in Weißensee, als bekannt wurde, dass der Ort Schauplatz Ihres Kriminalromans sein würde?
Überrascht, neugierig und in manchen Fällen sogar ein bisschen stolz. Immerhin bekommt nicht jede Stadt ihren eigenen Krimi, noch dazu, wenn sie nicht Erfurt oder Weimar heißt.

Sind alle Personen in Ihrer Geschichte frei erfunden oder wird sich der ein oder andere wieder erkennen?
Alle Figuren sind frei erfunden. Der ein oder andere Freund oder Bekannte wird jedoch einige der Dialoge wiedererkennen. Auch Schriftsteller können sich nicht alles ausdenken. Was die realen Personen angeht, bin ich da vorsichtiger. Bei einer Mordgeschichte kann das schnell zu Verstimmungen führen. Auch wenn mich schon ein Freund gebeten hat, im nächsten Buch unbedingt die Leiche sein zu dürfen. Diesen Wunsch werde ich ihm dann doch erfüllen.

Wie kommen Sie denn auf Ihre Themen?
Die liefert das normale Leben. Wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht, lässt sich so manches entdecken. Noch dazu reden die meisten Menschen gern über ihre Heimat. Ein geschichtliches Ereignis, eine geheimnisvolle Sage, eine fast vergessene Begebenheit oder eben einen lange schwelenden Streit mit dem Bayerischen Brauerbund…